Abfangen in mittleren und großen Höhen

Das Abfangen in mittleren und großen Höhen ohne Störungen und bei Annäherungsgeschwindigkeiten von 150 – 250 km/h ist die einfachste Art des Abfangens mit Hilfe des Funkmessvisiers
Unter den genannten Bedingungen arbeitet das FMV mit hoher Zuverlässigkeit. Auf Grund der guten Steuerbarkeit des Flugzeuges in den genannten Höhen bereitet das Abfangen in der Regel keine großen Schwierigkeiten.
In Abhängigkeit vom Typ des Luftziels und der Qualität der Jägerleitung wird das Luftziel in der Regel in Entfernungen von 12 – 18 km bei einem Seitenwinkel bis +/- 15° aufgefasst und dargestellt.

Nachdem sich das Zielzeichen mit den Lagezeichen auf dem Nullseitenwinkel befindet, muss der Flugzeugführer den zwischen dem Ziel und der Diagrammachse der Antenne vorhandenen Höhenwinkel beseitigen, indem er je nach den vorhandenen Lagezeichen in den flachen Gleit- oder Steigflug übergeht.
Dieser Prozess ist fortzusetzen, bis sowohl die Anzahl als auch die Helligkeit der oberen und unteren Lagezeichen übereinstimmen.
In dieser Lage – Nullseitenwinkel, Lagezeichen oben und unten gleich – ist die weitere Annäherung an das Luftzeil durchzuführen, bis das Zielzeichen mit den Lagezeichen den Erfassungsektor erreicht.

Zum Gewährleisten des sicheren Auffassens des Luftziels mit dem FMV ist jedoch bei der Jägerleitung unbedingt die am Flugzeug befindliche Waffenvariante zu beachten. Da das FMV in Abhängigkeit von der Waffenvariante mit einer um 3° unterschiedlichen Neigung der Antennenlängsachse arbeitet, ergibt sich bei einer Zielentfernung von 15 km ein vertikaler Unterschied zwischen den Achsen des Antennendiagramms von ca. 750 m.
Zur sicheren Zielauffassung ist dieser Unterschied bei der Auswahl der Höhenstufung beim Heranleiten des Flugzeuges an das Luftziel unbedingt zu berücksichtigen.
Da in den genannten Höhen keine Erdreflexionen auftreten, wird der Flugzeugführer das Zielzeichen auch sofort nach der Zielauffassung durch das FMV auf dem Bildschirm feststellen.
In einzelnen Fällen (z.B. bei Vorhandensein dichter Cumulusbewölkung mit hohem Feuchtigkeitsgehalt) können auf dem Bildschirm auch einzelne Scheinziele auftauchen.
Auf Grund der geringen Stabilität dieser Zielzeichen und ihrer hohen Verlagerungsgeschwindigkeit auf dem Bildschirm ist das reelle Luftziel jedoch leicht von den Scheinzielen zu unterscheiden.
Nachdem das Zielzeichen mit den Lagezeichen auf dem Bildschirm als echtes Ziel identifiziert wurde, muss der Flugzeugführer das Zielzeichen auf den Nullseitenwinkel bringen. Das geschieht durch koordiniertes Nachkurven nach der Seite, auf der das Luftziel aufgefasst wurde.

Führt das Luftziel während der Annäherung Manöver durch, so ist zuerst deren Charakter zu bestimmen:
– Änderung des Seitenwinkels – Kursmanöver
– Anderung der Lagezeichen – Höhenmanöver
– Änderung der Annäherungsgeschwindigkeit – Geschwindigkeitsmanöver
Danach muss der Flugzeugführer durch ruhige und koordinierte Ruderbetätigungen so steuern, dass das Zielzeichen mit den identischen Lagezeichen auf dem Nullseitenwinkel gehalten wird und eine zügige Annäherung erfolgt
Besonders wichtig ist dabei, dass der Flugzeugführer schon auf die geringsten Änderungen reagiert, um dadurch später erforderliche starke Manöver zu vermeiden.
Nachdem das Zielzeichen mit den Lagezeichen den Erfassungssektor erreicht hat und die Umschaltbedingungen (Abschnitt 7.2) vorhanden sind, ist das FMV auf Zielbetrieb umzuschalten.
Dieser Vorgang ist von entscheidender Bedeutung für den nachfolgenden Verlauf des gesamten Abfangprozesses, denn die Erfahrungen zeigen, dass ein großer Teil nicht erfüllter Abfangübungen auf ein verspätetes oder nicht erfolgtes Umschalten des FMV auf Zielbetrieb zurückzuführen ist.
Der Flugzeugführer muss sich darüber klar sein, dass der Umschaltvorgang mit der höchsten Wahrscheinlichkeit gelingt, wenn sich das Zielzeichen im Moment des Betätigens des Erfassungsknopfes direkt auf dem Nullseitenwinkel mit symmetrischen Lagezeichen befindet. Jede Abweichung von diesen Bedingungen kann zum Misslingen des Umschaltens führen, ohne dass dabei das FMV als defekt zu bezeichen ist.

Dabei ist zu beachten, dass dieses Nachkurven schon beendet sein muss, wenn sich das Zielzeichen noch etwa 5° vor dem Nullseitenwinkel befindet. Erfolgt dieses Ausleiten zu spät, so wandert das Zielzeichen im weiteren Verlauf nach der entgegengesetzten Seite aus. Diese Tendenz ist umso stärker, je größer der Seitenwinkel im Moment der Zielauffassung war.

Wichtig ist auch, das Umschalten möglichst frühzeitig durchzuführen. Dafür gibt es folgende Gründe:
a) Bei manövrierenden Luftzielen werden mit abnehmender Entfernung die erforderlichen Winkelgeschwindigkeiten bei der Zielverfolgung immer größer und es wird immer schwieriger, einwandfreie Umschaltbedingungen zu schaffen
b) Nach erfolgtem Umschalten lassen sich manövrierende Luftziele wesentlich leichter verfolgen und die Wahrscheinlichkeit des Zielverlustes ist geringer
c) dem Flugzeugführer verbleibt mehr Zeit zum Zielen und er erhält günstigere Möglichkeiten zum Einhalten optimaler Abschussbedingungen

Mit dem Beginn des Nachkurvens muss der Flugzeugführer gleichzeitig die Kennung abfragen. Dabei verschwinden die Lagezeichen; wenn das Luftziel mit dem richtigen Kode antwortet wird das Zielzeichen doppelt geschrieben. Etwa 600 m oberhalb des Zielzeichens wird die Kennungsmarke geschrieben.

Nach dem Umschalten des FMV auf Zielbetrieb ist die weitere Annäherung so durchzuführen, dass der Mittelpunkt der Zielsilhouette am oberen Rand der Kreismarkierung gehalten wird

Nach dem Erreichen der optimalen Abschussentfernungen muss der Flugzeugführer durch leichtes Anziehen des Steuerknüppels den Mittelpunkt der Zielsilhouette in den Visierkreis bringen und den Kampfknopf betätigen. (Auf die raketenseitigen Bedingungen – z.B. Tonsignal bei infrarotgelenkten Raketen – gehe ich hier nicht ein)
Die zulässige Schussentfernung für die jeweiligen Schießbedingungen wird durch das FMV in Form der dunkel getasteten Schusszonen innerhalb der Zielsilhouette angezeigt.
Dieser Bereich der zulässigen Schussentfernung wird durch das Funkmessvisier nach folgenden Formeln berechnet:
    a) für zielsuchende Raketen (R-3S, R-13M) Ds max = 2250 + 0,27 (H[m] – 4000) + 12 VG
    b) für leitstrahlgelenkte Raketen (RS-2US) Ds max = 2700 + 0,13 (H[m] – 4000) + 12 VG
    Ds min = 2000 + 7 VG
Die so berechnete Schussentfernung garantiert jedoch nur, dass die Rakete das Luftziel überhaupt erreicht, ohne die Wirksamkeitskriterien zu berücksichtigen. Die Wirksamkeit der Raketen wird jedoch stark durch die Schussentfernung beeinflusst.
Zielsuchende Raketen erreichen ihre höchste Wirksamkeit, wenn sie das Luftziel mit einer Annäherungsgeschwindigkeit von mindestens 350 m/s erreichen.
Leitstrahlgelenkte Raketen sind am wirkungsvollsten, wenn sie das Luftziel nach ca. 75% ihrer Maximalflugzeit erreichen, da dann die Fluktuationsschwingungen am geringsten sind.

Um einen möglichst effektiven Einsatz der Bewaffnung zu gewährleisten, muss der Flugzeugführer klare Vorstellungen über das Verhältnis der angezeigten maximalen zur optimalen Schussentfernung unter den jeweiligen Schießbedingungen besitzen und diese einhalten.
Auf Grund des Arbeitsprinzips der Triebwerke der gelenkten Raketen erfolgt der Abschuss mit einer bestimmten Verzögerung nach dem Betätigen des Kampfknopfes, die bis zu 2 Sekunden betragen kann.
Zum Gewährleisten des Einfluges der leitstrahlgelenkten Raketen in den Leitstrahl bzw, zum Verhindern des Zielverlustes durch den Zielsuchkopf der zielsuchenden Raketen muss die Längsachse der Waffenanlage während dieser 2 Sekunden auf das Luftziel gerichtet bleiben. Diese Bedingung muss der Flugzeugführer einhalten, indem er den Mittelpunkt der Zielsilhouette im Visierkreis behält.
Nach dem Abgang der zielsuchenden Raketen (nach 2 Sekunden) kann der Flugzeugführer aus dem Angriff herausgehen, da das Lenksystem der Rakete auf der weiteren Flugbahn autonom arbeitet.
Soll der Abschuss einer weiteren Rakete erfolgen, so ist ein Mindestabstand von 4 Sekunden zwischen den Abschüssen einzuhalten, damit eine Beeinflussung des Zielsuchkopfes der zweiten Rakete durch das Triebwerk der ersten verhindert wird.
Nach dem Abgang der leitstrahlgelenkten Rakete ist das Zentrum der Zielsilhouette durch weiche und gleichmäßige Steuerbewegungen im oder am Visierkreis zu halten. Harte Steuerbewegungen führen zu großen Schwankungen der Antenne des FMV und damit zur Vergrößerung der Fluktuationsschwingungen der Rakete, wodurch wiederum deren Trefferwahrscheinlichkeit sinkt. Die Zeit der Verfolgung des Luftziels muss mindestens 10 Sekunden betragen.
Erfolgte der Raketenabschuss bei geringen Entfernungen und die Sicherheit des angreifenden Jagdflugzeuges erfordert ein vorzeitiges Abkurven, so hat das durch weiche Steuerbewegungen mit einer maximalen Schräglage vom 30° zu erfolgen. Dabei darf die Zielsilhouette höchstens 85 Tausendstel vom Visiermittelpunkt auswandern, damit ein Ausbrechen der Rakete aus dem Leitstrahl oder ein Zurückschalten des FMV auf Übersichtsbetrieb verhindert wird.
Ein zweiter Abschuss leitstrahlgelenkter Raketen kann frühestens nach 12,5 Sekunden erfolgen, da das Kreiselsystem zur Abstrahlung der Kodeimpulse erst nach dieser Zeit wieder stabilisiert wird. Im Gegensatz zum realen Abschuss der leitstrahlgelenkten Raketen ist bei der fliegerischen Gefechtsausbildung mit imitiertem Raketenabschuss der Kampfknopf während der gesamten Verfolgungszeit (10 Sekunden) zu betätigen, damit eine einwandfreie Arbeit der Fotokontrollgeräte gewährleistet wird.

Besonderheiten Abfangen in der Stratosphäre

Das Abfangen in der Stratosphäre unterscheidet sich vom Abfangen in mittleren Höhen weniger hinsichtlich der Arbeit mit dem FMV als in der Steuertechnik.
Dabei sind folgende Besonderheiten zu berücksichtigen.
    a) Der Flug in der Stratosphäre erfolgt ausschließlich mit Anwendung des Nachbrenners. Auf Grund des hohen Kraftstoffverbrauchs ist die Flugzeit begrenzt und schließt die Durchführung eines Wiederholungsangriffes aus.
    b) Infolge der geringen Luftdichte verschlechtern sich die Manövriereigenschaften des Jagdflugzeuges beträchtlich. Die Kurvenradien und -zeiten vergrößern sich, die Möglichkeiten zum Aufholen und Verringern der Geschwindigkeit des Flugzeuges verringern sich.
  1. der erste Angriff muss erfolgreich sein, da ein Wiederholungsangriff nicht möglich ist.
  2. die Jägerleitung muss so erfolgen, dass der Flugzeugführer das Luftziel auf oder nahe dem Nullseitenwinkel ortet. Wird das Luftziel mit einem Seitenwinkel über 15° geortet, ist das Nachkurven schwierig und zeitaufwendig. Da sich das Abfangjagdflugzeug in dieser Zeit weiter dem Luftziel nähert, werden die Umschaltbedingungen für das FMV erst verspätet oder überhaupt nicht geschaffen.
  3. Der Angriff muss mit gleichbleibender Geschwindigkeit durchgeführt werden, da ein Verringern der Geschwindigkeit schnell zum Unterschreiten der zulässigen Abschussgeschwindigkeit führt und ein Aufholen nicht oder nur sehr langsam möglich ist. Daraus ergibt sich, besonders bei langsam fliegenden Luftzielen eine hohe Annäherungsgeschwindigkeit.
  4. Der Flug in der Stratosphäre erfolgt mit großen Anstellwinkeln. Das führt gleichzeitig zu einem Anheben des gesamten Antennendiagramms und verlangt, das Heranleiten mit einer bestimmten Tiefenstufung durchzuführen, deren konkreter Wert von der tatsächlichen Geschwindigkeit und der eingestzten Waffenvariante abhängt.
  5. Energische Manöver sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Ebene nach oben führen zu einem Geschwindigkeitsverlust. Wird z.B. ein Luftziel während des Hochziehens mit den Lagezeichen „oben“ erfasst und daraufhin der Steuerknüppel energisch angezogen (zum Herstellen der Symetrie der Lagezeichen), so führt das zu einem schnellen Geschwindigkeitsverlust und besonders in Höhen über 15.000m kann der Abfangprozess völlig misslingen, da ein erneutes Aufholen von Geschwindigkeit in diesen Höhen unmöglich ist.
Die Arbeit mit dem FMV in der genannten Höhe ist relativ unkompliziert, da auf dem Bildschirm keinerlei Störungen vorhanden sind und das Luftziel sofort nach dem Auffassen auf dem Bildschirm erkannt wird. Beim Zielen und beim Abschuss der Raketen ist lediglich die Trägheit des Abfangjagdflugzeuges zu beachten. Deshalb sind, besonders beim Einsatz leitstrahlgelenkter Raketen, schon geringfügige Abweichungen der Zielsilhouette vom Visierkreis durch weiche Steuerbewegungen zu korrigieren. Beim realen Abschuss der Raketen, insbesondere beim Einzelabschuss, tritt beim Abgang der Rakete ein Schiebemoment auf, das mit dem Seitenruder zu korrigieren ist.

Besonderheiten Abfangen in den Wolken

Das Abfangen in den Wolken ist das schwierigste Element des Abfangens mit dem FMV. Dabei treten sowol hinsichtlich der Steuertechnik als auch in Bezug auf die Arbeit mit dem FMV schwierige Bedingungen auf.
Da das Heranleiten und der Abfangprozess in der Regel in den Wolken erfolgt, muss das Flugzeug ausschließlich nach Geräten gesteuert werden.
Das Erkennen des Zielzeichens mit den Lagezeichen wird oft durch Aufhellungen des Sichtgerätes erschwert. Diese Aufhellungen enstehen durch Reflexionen der abgestrahlten Energie durch die Wolken; sie sind in Abhängigkeit von der Wolkenart unterschiedlich und in Wolken mit hohem Feuchtigkeitsgehalt besonders stark.
Starke vertikale Böigkeit in den Wolken bringt oft noch zusätzliche Schwierigkeiten mit sich.
Wurde das Luftziel erkannt, so sind alle nachfolgenden Manöver zum Schaffen der Umschaltbedingungen strikt nach Geräten auszuführen.
Nach dem Erfassen des Luftziels muss der Flugzeugführer unbedingt anhand der lage der Zielsilhouette und der Verlagerungsgeschwindigkeiten der Entfernungsmarken kontrollieren, ob das tatsächliche Luftziel erfasst wurde. Gleichzeitig deutet ein energisches Auswandern der Zielsilhouette auf das Erfassen eines Scheinziels hin. Wird in einem solchen Falle sofort nachgekurvt, so können, besonders bei Flügen in der „Unteren Einsatzhöhe“, unklare Fluglagen und gefährliche Flugzustände enstehen.
Wurde ein Scheinziel erfasst, so muss der Flugzeugführer die Lösetaste drücken und im Übersichtsbetrieb die Umschaltbedingungen präzisieren. Besteht Unklarheit, ob sich das richtige Luftziel im Erfassungssektor befindet, ist mit Hilfe der Kennungsabfrage eine Indentifizierung möglich.
Nach dem (imitierten) Abschuss der Raketen muss das Luftziel noch 10 Sekunden begleitet werden. Erfolgte der Abschuss bei Entfernungen die nahe bei der minimalen liegen, so kann nach 2 Sekunden bereits mit dem Abkurven begonnen werden.
Dabei ist jedoch nur eine Schräglage von maximal 30° einzunehemen; das Zielzeichen darf sich bis zur 10. Sekunde um höchstens 85 Tausendstel vom Mittelpunkt des Visierkreises entfernen