Zur Auswertung des Fluges verfügte die MiG-21 über ein System zur Aufzeichnung dafür relevanter Daten – den Flugdatenschreiber SARPP-12G.
Ähnlich der heutigen „Black-Box“ wurden diese Daten auf einen 35-mm-Film geschrieben, der sich wiederum in einer feuersicheren Kassette befand. Das Aufzeichnungsgerät befand sich im Seitenleitwerk, hatte also gute Chancen einen Absturz unbeschadet zu überstehen.
Vor dem Anlassen des Triebwerkes wurde die Anlage in Betrieb genommen. Vergaß man das Einschalten per Hand, besorgte dies dann eine Automatik bei einer bestimmten Geschwindigkeit.
Nach der Landung wurde die Kassette vom Techniker ausgebaut und sofort vom Piloten ins Auswertezentrum zur ersten Begutachtung gechleppt. Die dort tätigen „Spezialisten“ untersuchten den Film auf eventuelle technische Störungen am Flugzeug (ca.10 % der Aufmerksamkeit) und auf Steuer-oder Bedienfehler des Flugzeugführers (beliebte „Vergehen“ war zum Beispiel das Überschreiten des zulässigen Lastvielfaches – G-Beschleunigung – beim Kunstflug oder Luftkampf). Dann war es nicht schlecht, wenn man als Deliquent ein Päckchen Kaffee in der Hinterhand hatte ;-)).
Andererseits hat dieses Gerät wohl auch Einigen das Leben gerettet, konnten doch rechtzeitig Schnitzer in der „fliegerischen Meisterschaft“ erkannt und ausgemerzt werden.
Folgende Werte wurden vom Gerät aufgezeichnet:
Analoge Signale
barometrische Flughöhe (-250 m – 25.000 m) – wird durch den Geber MDD-Te-780 erfasst und dem FDS zugeführt
Geschwindigkeit (-120 km/h – 1600 km/h) – wird durch den Geber MDD-Te-1.5 erfasst und dem FDS zugeführt
Lastvielfache (G-Beschleunigung -5,5 … +10) – Beschleunigung in Richtung der Flugzeughochachse wird durch den Geber MP-95 erfasst und dem FDS zugeführt
Drehzahl des Niederdruckverdichters (10 – 105%) – wird vom Drehzahlgeber DTE-1 dem FDS zugeführt
Längsbeschleunigung (-1,5 … +1,5) – Beschleunigung in Richtung der Flugzeuglängsachse wird durch den Geber MP-95 erfasst und dem FDS zugeführt
Ausschlagwinkel des Höhenruders (-13° … +28°) – wird durch den Geber MU-615A erfasst und dem FDS zugeführt
Einschalten Autopilot (ab MiG-21UM) – wird eine der beiden Betriebsarten eingeschaltet, wird das Signal vom RKB-155A dem FDS zugeführt
Schubdüsenstellung – es wird die Schubdüsenstellung bei eingeschalteten Nachbrenner (Durchmesser 645 mm und mehr) durch das GA-164 (ausfahren) dem FDS zugeführt. Weiterhin wird die Schubdüsenstellung bei abgeschalteten Nachbrenner und Maximalleistung des Triebwerkes (Durchmesser 530 mm) und bei SPS (Durchmesser 545 mm) durch das GA-164 (einfahren) dem FDS zugeführt
Betätigung des Kampfknopfes
Basislinie
Zeitsignal
Technische Daten
Film | Typ 20, Dicke 0,09 mm, Breite 35 mm |
Länge: 12 m in einer Kassette | |
Temperaturbereich | +/- 60° C |
Belastbarkeit der Kassette | bis 150 g |
Transportgeschwindigkeit Film (einstellbar) | 1 mm/sek – Arbeitszeit 3 Stunden 20 Minuten |
2,5 mm/sek – Arbeitszeit 1 Stunde 20 Minuten | |
10 mm/sek – Arbeitszeit 20 Minuten | |
Zeitmarkenabstand | 10 mm |
Helligkeit Lampe 2 ist einstellbar in Anhängigkeit vom Film un der Transportgeschwindigkeit |
Bauteile:
- Informationsspeicher,
- Abstimmblock,
- Druckgeber,
- Geber für Höhe, Geschwindigkeit, Lastvielfache,
- Winkelgeber,
- Störschutzfilter,
- Geschwindigkeitsschalter (autom. Ein- bzw. Ausschalten bei 100 km/h)
Der Speicher K-12-51
Der Speicher dient der Aufnahme der korrigierten Gebersignale und zur Speicherung derselben auf einem Film.Die Belichtung des Filmes erfolgt über Spiegelgalvanometer mit Spannbandaufhängung. Jedes analoge Signal wird zu einem Spiegelgalvanometer geführt, die durch eine zentrale Lichtquelle gespeist werden. Mit dieser Anordnung wird gewährleistet, dass auf dem Film die Signallinien mit einem bestimmten Abstand zueinander aufgezeichnet werden. Ändert sich eine der Größen, ändert sich die Größe des elektrischen Signals und somit die Stellung des Spiegels am Galvanometer. Der vom Spiegel reflektierte Lichtstrahl fällt in einem anderen Winkel auf den Film und ändert somit die Linienführung des gegebenen Signals.
Die binären Signale werden mit Hilfe feststehender Spiegel und den dazugehörenden Lichtquellen (je Spiegel eine Lampe) in Form von Strichen aufgezeichnet. Durch einen geeigneten Antriebwird der Film mit einer bestimmten, einstellbaren Geschwindigkeit transportiert.
Um eine eindeutige Auswertung des Filmes zu garantieren, werden die Signale nicht gleichmäßig und durchgehend geschrieben. Die auf den Film reflektierten analogen Signale werden durch eine zentrale Lichtquelle gespeist. Über diese Lichtquelle wird ein Metallbügel, der durch eine Motor gesteuert wird, bewegt. Der Metallbügel unterbricht der Reihe nach die Lichtstrahlen und gewährleistet auf diese Weise eine unterschiedliche Strichlänge der einzelnen Signale.
Ebenfalls durch die zentrale Lichtquelle wird die Basislinie geschrieben. Diese ist die Ausgangslinie für die Auswertung der Signale.
Für die exakte Auswertung ist auch eine Zeitmarkierung notwendig. Die Zeitmarkierungen werden durch den Motor gesteuert und durch die Lampe L3 auf den Film reflektiert. D.h. der Motor schaltet zur entsprechenden Zeit noch zwei Schalter:
Der eine liegt in Reihe zur L3, wird dieser kurzzeitig geschalten, erfolgt die Belichtung des Filmes durch L3. Die Aufzeichnung der binären Signale erfolgt im gegebenen Moment auf einer bestimmten Stelle des Filmes.
Durch den zweiten Sachalter wird das binäre Signal „Autopilot“ geschrieben. Es wird auf das bereits vorhandene analoge Signal „Höhe“ aufgetragen. Der Kurvenzug des Höhensignals wird dann punktiert aufgezeichnet (siehe Bild oben „Aufzeichnung binärer Signale“).
Abweichungen:
(aufgezeichneter Wert / wahrer Wert – technisch bedingt).Lastvielfaches: | +/- 0,5 (bei Spitzen +/- 1) | |
Flughöhe: | 0 … 500 m | +/- 100 m |
500 … 2.000 m | +/- 150 m | |
2.000 … 4.000 m | +/- 300 m | |
4.000 … 8.000 m | +/- 500 m | |
Geschwindigkeit: | 200 … 300 km/h | +/- 50 km/h |
300 … 400 km/h | +/- 35 km/h | |
400 … 500 km/h | +/- 30 km/h | |
500 … 700 km/h | +/- 25 km/h | |
700 … 1.100 km/h | +/- 20 km/h |
Das Bild links zeigt die Unterbringung des Informationsspeichers (der SARPP-Kassette) im Seitenleitwerk. (orangefarbener Block)
Vielen Dank an Jochen Müller, er war von 1981 bis 1983 Techniker der „740“. In seinem Schreibtisch fand sich eine Filmrolle aus dem SARPP der „783“. Nach seiner Erinnerung war es vermutlich sein erster TW-Probelauf während des Technikerlehrgangs im Jahre 1981. Er hat mit Faserschreiber einige Erklärungen auf dem Film vermerkt, so dass die Graphen verständlich sind.
Das Bild zeigt eine Auswertung des SARPP-Films für eine Übung 401 (zweiter Flug), geflogen am 15.12.1988 auf einer MiG-21UM, taktische Nummer 256. Dabei handelt es sich um einen Flug als Geführter im höchsten Kunstflug im Paar.
Dabei trägt der Führende eine hohe Verantwortung, muss er doch die Figuren sauber fliegen. Der Geführte hat alle Hände voll zu tun, die Position zu halten und kann sich im Prinzip nicht um die Einhaltung von Betriebsgrenzen (maximale oder minimale Gschwindigkeit, Höhe, Lastvielfaches) kümmern.
Ausgwertet werden hier die drei wichtigsten Parameter: Fluggeschwindigkeit (rot), Flughöhe (blau) und Lastvielfaches (grün). Am linken Rand des Diagramms sind auf den senkrechten Achsen die Maßstäbe für die jeweiligen Parameter abzulesen. Auf der waagerechten Achse (Zeit) sind Zeitmarkierungen (jede Minute) und die geflogenen Figuren markiert. Leider ist die Nutzung des Nachbrenners nicht mit eingezeichnet (normalerweise als rote Linie unter der Zeitachse)
Los geht´s mit Vollkurven in 3000 m Höhe mit 800 km/h mit Volllast (100% Triebwerkleistung). Zu erkennen an der relativ geringen Überbelastung zwischen 2 – 3. Das entspricht etwa einer durchschnittlichen Schräglage von 60°.
Daran anschließend Vollkurven mit Nachbrenner. Der Schubüberschuss in der Höhe bei dieser Geschwindigkeit ist hoch, jetzt muss ordentlich Lastvielfaches angelegt werden (5,5 – 7) damit der Flieger kein Überschall aufholt.
Dann wird die Geschwindigkeit von gut 850 km/h auf 650 km/h verringert, indem die Geschwindigkeit in Höhe umgesetzt wird.
In 4000 m bei 650 km/h wird der Sturzflug mit einem Bahnneigungswinkel von 60° durch einen halben Abschwung eingeleitet. Während des Sturzfluges muss durch Drücken der Sturzwinkel stabilisiert werden, das Lastvielfache geht auf 0 zurück.
Dann beginnt auch schon das Abfangen aus dem Sturzflug, damit die Sicherheitshöhe nicht unterschritten wir. Ab jetzt kommt immer der Nachbrenner zum Einsatz, wenn es aufwärts geht. Das Lastvielfache steigt auf gut 7. In gut 1500 m mit 1000 km/h ist der untere Punkt der Figur erreicht und es folgt das Hochziehen mit einem Steigwinkel vo 60°. Die Geschwindigkeit geht zurück, das Lastvielfache liegt bei ungefähr 1.
In 5000 m bei einer Geschwindigkeit von gut 700 km/h wird das Flugzeug durch eine halbe Rolle in die Rückenlage gedreht und anschließend an den Horizont geführt.
Es schließt sich ein Abschwung an, die Geschwindigkeit im Abwärtsteil steigt wieder bis auf gut 1000 km/h an und die Höhe geht zurück auf ca. 1300 m
Es folgt ein Looping. Das Lastvielfache wird erhöht. Die 7 am Anfang ist zu hoch, man zieht sich durch den damit verbundenen hohen Anstellwinkel zu schnell die Geschwindigkeit weg, der Flieger verhungert auf dem Weg nach oben. 5 sind ok, mit Annäherung an den oberen Totpunkt in der Rückenlage geht das Lastvielfache kontinuierlich auf ca. 1,5 bis 2 zurück. In 4000 m Höhe bei 550 km/h ist der obere Punkt des Loopings erreicht. Das Triebwerk wird gedrosselt und es geht in den Abwärtsteil. Das Lastvielfache steigt im Idealfall mit Zunahme der Geschwindigkeit gleichmäßig an. In 1300 m Höhe bei einer Geschwindigkeit von 1100 km/h ist der Looping beendet. Die eingezeichnete Lastvielfachenspitze von 9 ist schon ordentlich, ob es wirklich so viel waren, darüber lässt sich streiten 🙂
Darauf folgt ein schräger Looping mit einem Neigungswinkel von 45°. Im schrägen Looping kommt es darauf an, dass der Neigungswinkel immer gleich bleibt, das bedeutet, dass man für jeden Steigwinkel eine entsprechende Schräglage haben muss, damit die Figur rund wird.
Als Letztes folgt ein Aufschwung. Eingeleitet in gut 1200 m mit 1050 km/h, aktiven Nachbrenner im Aufwärtsteil, wird anfangs ein Lastvielfaches von gut 5 – 5,5 eingenommen und danach bis zum oberen Totpunkt auf ca. 2 – 3 verringert. Zu viel Lastvielfache im Aufwärtsteil bedeuten einen schnellen Geschwindigkeitsverlust. Dann wird unter Umständen die minimale Manövergeschwindigkeit unterschritten, was dann die halbe Rolle im oberen Totpunkt erschwert. Wir haben aber gut gehaushaltet.
In 3000 m Höhe bei einer Geschwindigkeit von 650 km/h ist die Übung beendet.
Das Ganze hat gut 7 Minuten gedauert und jedes der beiden Flugzeuge hat dabei ca. 1000 Liter Sprit verballert.