Fakten:

Unmittelbar in den Jahren nach dem 30. Jahrestag ihrer Gründung vollzogen sich zahlreiche Veränderungen in der NVA. Die Partei- und Staatsführung der DDR plante eine weitere Erhöhung der Schlagkraft der Armee.
In den LSK/LV wurden die Jagdbombenfliegerkräfte weiter ausgebaut (Einführung der SU-22, geplante Einführung von SU-25) und sowohl für die Jagdfliegerkräfte als auch für die Fla-Raketentruppen war ebenfalls eine Modernisierung vorgesehen.
Der gesamte Planungsumfang überstieg zu diesem Zeitpunkt aber schon die wirtschaftlichen Möglichkeiten der DDR.
Daher beschloss man mit der Einführung der MiG-29 nicht nur die Geschwaderstärke sondern auch den Gesamtbestand der Jagdfliegerkräfte zu reduzieren.
Letzteres wurde ideologisch in der „Klassenauseinandersetzung“ genutzt.
Am 23.Januar 1989 ging der „Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates über einseitige Truppenreduzierungen“ sowie andere Abrüstungsschritte in alle Welt.
Ein großer Presserummel begleitete die Außerdienststellung des JG-7

Gründe ??
Dass damals gerade das JG-7 aufgelöst wurde, war sicher für alle Beteiligten nicht logisch nachvollziehbar. Ein Staat, dessen Militärdoktrin die Verteidigung des eigenen Luftraums propagiert, rüstet gerade diese Fliegerkräfte ab.
Zum anderen war aber das JG-7 so etwas wie die Reserve der 1.LVD (Luftverteidigungsdivision, Stab in Cottbus), d.h.während allen anderen Geschwadern im Ernstfall bestimmte Räume zugeodnet waren, sollte das JG-7 evtl. entstandene Lücken füllen, bzw. für Verstärkung sorgen. Da man Ende der 80er Jahre nicht mehr unbedingt von einem militärischen Konflikt ausging, konnte man also auch die Reserve wegrationalisieren.
Ich denke mal, mit dieser Maßnahme ließ sich international ziemlich viel Wind machen (was ja auch reichlich passierte) und auf der anderen Seite ging´s der DDR wirtschaftlich nicht gerade rosig (wusste kurze Zeit später jeder)
Wunschdenken ?!

Nachdem sich das Gerücht in den LSK/LV verbreitete, tippten eigentlich alle auf das ebenfalls in Drewitz stationierte JBG-37.
Warum? Das JBG, ausgerüstet mit der MiG-23BN, gehörte eigentlich nicht zu den Verteidigungsverbänden der NVA (ist ja bei einem Jabo auch verständlich). Das Flugzeug war nach Einführung der SU-22 in Laage auch nicht mehr der Renner, dazu kam die Doppelbelegung des Flugplatzes Drewitz, der ja doch normalerweise den Jagdfliegern gehörte ;-).
Doch dann kam alles anders und wir standen auf der Abschussliste, nicht einer, nicht zwei sondern gleich alle. Das war ganz schön bitter, betraf es doch auch eine Menge Familien und Leute, die sonst noch irgendwie mit dem Geschwader und dem Standort verbunden waren.

der wahre Grund ! ;-))))
Sogleich machten sich auch die Spaßvögel auf Ursachensuche und hinter vorgehaltener Hand kam die Wahrheit ans Licht: Unser aller Genosse Honnecker, damals schon nicht mehr ganz taufrisch, hatte sich verlesen.
Auf seinem Manuskriptzettel stand, dass ein „Fl-Truppenteil“ aufgelöst wird. Gemeint war natürlich ein Fla-Rak-Truppenteil und er macht ein Fliegertruppenteil draus.
Uuuups – gesagt ist gesagt und so nahm das Unheil seinen Lauf.
Folgen:
Im Juni 1989 waren dann die sogenannten „Einsatzgespräche“, d.h. jeder bekam gesagt, welche Zukunft ihm bevorstand.
Und wem es nicht passte, mann konnte sich zur Not auch richtig abrüsten lassen.
An dieser Stelle erfuhr ich, dass meine „rosige“ Zukunft als Fluglehrer in Bautzen lag. Ich war darüber nicht glücklich und (an dieser Stelle Gott sei Dank) machte die Wende dem Treiben ein Ende (mensch das reimt sich sogar).
31.08.1989:

Aber vorher hieß es noch – wir ziehen durch bis zum bitteren Ende und so kam der 31.August 1989, der letzte Flugdienst des JG-7.

Der Militär-Presse-Dienst kommt fast in´s Schwärmen: (Zitat)

„Fast Windstille, strahlend blauer Himmel umrahmen diesen denkwürdigen 31.August 1989. Unwiderruflich zum letzten Mal starten die tarnfarbenen MiG-21 des NVA-Jagdfliegergeschwaders 7 „Wilhelm Pieck“, ….“
Start im Paar
und weiter heißt es im Heft 41/89 unter der Überschrift: Friedenserhaltende Mission erfüllt

„Ungewohnte Betriebsamkeit an der Vorstartlinie: Reporter von Funk und Fernsehen, Tages- und Wochenzeitungen umwimmeln langjährige Offiziere, die heute das letzte Mal in der Kanzel Platz nehmen. Bekanntlich ist beschlossen, das JG „Wilhelm Pieck“ als einseitige Vorleistung aufzulösen.
Abseits des Gedränges bereiten Fähnrich T.Bölke und Uffz. M.Buchhorn die „252“ zum Wiederholungsstart vor. Das Fahrwerk nochmals zu überprüfen, hatte OSL L.Kleine, der Geschwaderkommandeur, nach dem Wetterflug angewiesen. Höchste Sicherheit bis zur allerletzten Landung, muss die Parole für den Flugzeugtechniker und seine Mannen heißen. Seit zwei Jahren betreut T. diese Maschine, zuvor hatter er an der Militärtechnischen Schule der LSK/LV „Harry Kuhn“ sein Fähnrichstudium absolviert. Mit der Existenz des Truppenteils endet auch seine kurze, hoffnungsvolle militärische Laufbahn….“
die technische Besatzung der "252"
Vorstartlinie "252"
technischer Dienst an der Vorstartlinie

„Torstens Nebenmann M.Buchhorn, Mechaniker Triebwerk/Zelle, wird seine 3 Jahre bei den LSK/LV in einem anderen Truppenteil „vollmachen“. Zuvor aber soll der Ofensetzer aus der PGH „Altmark“ Salzwedel eine ungewohnte Arbeit verrichten: Flugzeuge zerlegen und verschrotten, gleich im hiesigen Geschwader. (Anm.des Autors dieser Seite: Es wurden nur wenige Flugzeuge direkt in Drewitz zerlegt, die anderen gingen vorher meist nach Dresden in die Flugzeugwerft)
„Triebwerkslärm schwillt an, die Journalisten ziehen sich zurück, die ersten Maschinen rollen zum Start. Fähnrich Bölke meldet die Einsatzbereitschaft der „252“ an die beiden Flugzeugführer Major N.Kunkel (mein Staffelkommandeur ;-)) und Oltn. B.
Bald hebt auch ihre MiG im Paar vom Boden ab.
Keine Probleme mit dem Fahrwerk, signalisiert der Staffelkommandeur nach dem Flug, bevor er schwungvoll aus dem hinteren Cockpit flankt. Langsamer, fast bedächtig, steigt der 25jährige Oltn. Stufe um Stufe die am Rumpf lehnende Leiter hinunter, trennt er sich mit jedem Schritt mehr von der MiG….(Zitat Ende)

Die NBI „Neue Berliner Illustrierte“ informiert in ihrer Ausgabe 38/1989 über den letzten Flugdienst

Zitat: „3125 mal in der Luft. Abschied von der Fliegerei und vom aktiven Wehrdienst. Deshalb musste ich diese Zahl einfach auf die Außenhaut der Maschine schreiben, mit der ich zum letzten Mal gelandet bin. Nun ist Schluss, unwiderruflich. Das ist auch ein Abschied von Genossen, die mir lieb und teuer sind, und von einer Aufgabe, die ich seit 27 Jahren mit ganzem Herzen erfüllt habe.Der letzte Start, die letzte Landung…

Es war ein besonderer Tag in unserem Geschwaderverband. Alle gaben ihr Bestes, die Techniker und Mechaniker, die Flugsicherungskräfte und die Piloten. Eine wirklich großartige Leistung vor dem Jubiläum unserer Republik. Eine Leistung, auf die wir stolz sein können.

Mit meiner Unterschrift im Kontrollblatt übergebe ich die MiG-21 an den Flugzeugtechniker. Mir ist, als müsste ich mich von einem Teil meines Lebens verabschieden. Fast drei Jahrzehnte in der Uniform der NVA! Tag für Tag Dienst für das, was wir geschaffen haben in den 40 Jahren Republik. 3125 mal in der Luft für den zuverlässigen Schutz der Heimat

Keine großen Worte jetzt. Das liegt mir nicht. Andere Genossen werden an meine Stelle treten. Nicht in diesem Geschwader, das wird aufgelöst. So ist es beschlossen. Ich weiß, dass die jungen Flugzeugführer nach mir nicht schlechter dastehen. Wenn´s um den Kampfauftrag geht, sind sie wie ich – voller Ehrgeiz und Hingabe. Dann wird anderes weggesteckt…, die kleinen Sorgen daheim, der längst überfällige Familienausflug.

Abschiednehmen hat viele Seiten. Die wichtigste jedoch ist, dass ich mir nicht den Kopf zu zerbrechen brauche, wie es denn ohne mich weitergeht. Dass der Himmel für uns immer sauber bleibt, ihn kein Provokateur verletzt, dafür haben wir in den Luftstreitkräften jederzeit das getan, was erforderlich ist. Und so wird es bleiben! Trotz unserer Abrüstung. Andere übernehmen unseren Auftrag. Denn es gibt Kräfte drüben, die wollen diesen Prozess verhindern, die wollen nicht, dass unser Land blüht und wächst. Bleiben wir alo auf der Wacht.

Meine Gedanken sind bei den Gefährten in den Maschinen am blauen Firmament. Nun ja, von unten sieht das freilich anders aus, so leicht. Wer weiß schon, wie schwer das ist, mutterseelenallein in der MiG. Wieviel Nerven das kostet und wieviel Kraft.

Was werde ich später jungen Leuten sagen, die Militärflieger werden wollen…? Dass das Lernen nie aufhört, kein Flugtag wie der andere ist. Von der Schönheit unseres Landes wird zu berichten sein – von dem unvergesslichen Anblick, wenn man sich vom Boden erhebt. Von der Verantwortung ist zu reden, mit jedem Flug den Schutz des Luftraumes der DDR zu gewährleisten. Wahrlich kein leichtes Gepäck. Ich hab´s gern getan. 3125 mal.

Zitat Ende

Anmerkung des Autors: Die MiG-21 mit der taktischen Nummer 462, mit der Oberstleutnant Tröger seinen letzten Flug absolvierte ist eine MiG-21 SPS. Für den letzten Flugdienst des Geschwaders wurden extra 2 Stück dieser Modifikation „importiert“. Das sollte schließlich der Typ sein, der dann abgerüstet wurde. So flog neben den „M´s“ des JG-7 auch eine „SPS“ mit und wurde dann der Presse samt ihrem Piloten vorgestellt.

Unter der Überschrift: „Lachendes und weinendes Auge“ veröffentlichte der Militär-Presse-Dienst folgendes Interview mit dem damaligen Parteisekretär des JG-7 OSL Pomian:

 

MPD: Bewegt nahm Ihr Kommandeur, OSL L.Kleine, einen großen Diestelstrauß entgegen (siehe rechts); bei Fliegern Symbol für Dank und Anerkennung. Also rundrum zufrieden mit dem heutigen Abschluss des Ausbildungsprogrammes?

OSL P.: Ich glaube schon. Das Abheben unseres gesamten Bestandes, der Überflug des Heimatplatzes in exakter Gefechtsordnung sowie paarweise Landungen demonstrierten nachhaltig: Hier wird nicht irgendwer abgerüstet, sondern ein kampfstarkes und gefechtsbereites Geschwader ! – Aber auch zuvor hatten ja alle Staffeln ihre flugtaktischen Übungen mit der Note „Sehr Gut“ gemeistert, wobei fast jede zweite MiG das technische Gütesiegel „Q“ trägt. Mehr als 70% der Armeeangehörigen erwarben außerdem den Bestentitel, ebenso 80% aller Einheiten je Führungsebene. Besonders stolz sind wir freilich, gewissermaßen mit Toreschluss die Bedingungen „Bester Truppelteil“ erfüllt zu haben. (Anm. des Autors: Den hatte es sowieso gegeben, auch wenn wir grottenschlecht gewesen wären)  Was besonders schwer wiegt, weil ja seit März jeder um unsere Auflösung wusste.

MPD: Trotzdem gelang es, alle wiederum zu motivieren!

OSL P.: Natürlich fragte sich zuerst manch einer: Warum ausgerechnet wir? (Anm. des Autors: wir uns auch) Doch derlei fruchtlose Mutmaßungen verebbteb schnell. Auf Partei-, Gewerkschafts- und Dienstversammlungen festigten wir den Standpunkt: Jetzt erst recht! Man soll sehen, welch´Geschwader da aufgelöst wird. Heute stehen wir alle hinter dem Beschluss (?????), weil wir wissen, unser Staat spricht nicht nur über Abrüstung, sondern fundamentiert seine Politik mit konkreten Vorleistungen. Denn ein Minus von 10.000 Mann, 600 Panzern sowie 50 Flugzeugen ist ja für unser Land wahrlich kein Pappenstiel. Selbverständlich wird hin und wieder die Sorge laut, ob wir uns damit nicht schwächen; zumal die NATO bisher ähnliche Schritte hat vermissen lassen… Aber letztlich meinen wir, dass die Truppenteile fähig sind, unsere hinlängliche Verteidigungsfähigkeit zu garantieren.

MPD: Viele Berufskader sagen der Armee ade. Wo drückt der Schuh am meisten?

OSL P.: Es fällt schwer, solch verschworenes Kollektiv zu verlassen, die Fliegerei überhaupt. Jeder kennt jeden, Stärken und Schwächen. Wie ein mann meistern Sicherstellungskräfte, Techniker und Flugzeugführer den harten und entbehrungsreichen, aber auch schönen Dienst. Doch der Abschied – für viele ein Wunschberuf – ist nur eine Seite der Medaille. Die andere sind die sich nun auftürmenden persönlichen Konsequenzen. (Ach neee…) Sie beginnen beim neuen Arbeitsplatz, auch für die Ehefrau, bei Kindergarten- und Krippenplätzen, Umschulungen und enden mit der Aufgabe des Freundeskreises. Deshalb unterhielten wir uns mit jedem, der vorzeitig aus der Armee ausscheidet, über Wünsche, Ambitionen und eventuelle Engpässe. (ja und die anderen bekamen einen Marschbefehl) Soll doch jeder weitgehend sozial so gefördert werden, dass möglichst keine Nachteile oder Einbußen entstehen.

MPD: Das Ausbildungsprogramm der „Piecks“ ist nun schon Geschichte. Was steht die nächsten Wochen auf dem Dienstplan?

OSL P.: Wir müssen alle Maßnahmen, die sich mit der Auflösung ergeben mit hoher Qualität erfüllen. Beispielsweise erstellten wir eine Technologie, wie die 50 MiG-21 zersägt und zur Ersatzteilgewinnung zerlegt werden können. Zu nämlichen Maschinen zählt übrigens die „462“, mit der OSL Tröger seinen 3125. und damit letzten Flug innerhalb der NVA absolvierte. (2 Flugzeuge vom Typ MiG-21SPS aus Holzdorf nahmen am letzten Flugdienst teil, die Piloten mussten vorher noch zur Umschulung auf diesen Typ)