Es geht in die Luft

Nach erfolgreich bestandenem Gesundheitscheck hatte ich 1979/Anfang 1980 an der GST-Fliegerschule in Schönhagen und am Flugplatz Halle- Oppin den Theorielehrgang für das Fliegen auf dem Ausbildungsflugzeug der GST, der Z-42 absolviert. Im August 1980 stand der erste Praxislehrgang auf dem Plan.
Dazu zuerst ein paar einleitende Worte. Die fliegerische Ausbildung bei der GST in der Laufbahn „Militärflieger“ war für jeden Bewerber obligatorisch (zumindest für die, die sich langfristig auf diese Verwendung in der NVA vorbereiteten). Auf Grund des ständigen Personalmangels wurden die Lehrgänge an der Offiziershochschule, OHS, auch mit Leuten aus anderen Verwendungen aufgefüllt. So kamen während unserer Grundausbildung Offiziersschüler der OHS der Landstreitkräfte in unseren Kurs, die natürlich keine fliegerische Vorbildung hatten).
Die Ausbildung der Flieger oblag bis Mitte der 70er Jahre den sog. Bezirksausbildungszentren (BAZ). Im Zuge der Konzentration ging man davon ab und etablierte zwei zentrale Fliegerschulen, eine in Schönhagen südlich Berlin und die andere in Jahnsdorf bei Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz).
Die Lehrgänge fanden immer in den Ferien statt und waren in großen Teilen paramilitärisch organisiert. Das begann beim Frühsport, beinhaltete einen festgelegten Tagesdienstablaufplan und übertrug sich auf die Fliegerei.
Im Folgenden dazu ein paar Zitate aus meinem damals geführten Fliegertagebuch. Es beginnt mit…

August 1980
Montag, dem 11.08.1980
Heute nun ging es los nach Schönhagen, wo ich das erste Mal unsere Mutter Erde aus der Luft sehen soll. Irgendwie fuhr ich heute Morgen mit gemischten Gefühlen in Richtung meiner letzten Ferienstation. Halb eins hatte ich dann das erste Mal Schönhagener Boden unter den Füßen. Viele bekannte Gesichter hab ich schon in Trebbin getroffen.
Nach dem Anmelden ging es auf die „Buden“.
Gegen 15:00 Uhr begann die Einweisung. Hierbei wurden wir nochmal darüber „aufgeklärt“, dass es eine Ehre , aber zugleich auch eine hohe Verantwortung sei, an der Fliegerschule zu sein. Nach der Ansprache des Lehrgangsleiters, nahm sich der Leiter der Schule, Gen.Mengs das Wort und sprach über die gesellschaftliche Bedeutung unseres Aufenthaltes.
Danach hatten wir Gottseidank etwas Ruhe. Pünktlich 22:00 Uhr wurde die Nachtruhe durchgesetzt. Die Mücken sind eine schlimme Plage
Heute erfuhren wir auch, was so in den nächsten Tagen auf uns zukommt. Der erste Flugtag ist für Donnerstag nachmittag festgelegt. Bis dahin heißt die Devise Bodenvorbereitung, Kabinentraining und Flugspiel.
Das kann ja heiter werden…

Dienstag, 12.08.1980
Um an meine Formulierung von Gestern anzuknüpfen: es wurde heiter. Leider nicht das Wetter, welches sich heute nicht von seiner schönster Sommerseite zeigte. Es regnete fast ununterbrochen.
Aber bei uns stand ja heute Bodenvorbereitung auf dem Plan.
Das ging heute morgen gleich los mit einer umfassenden Wiederholung aller technischen Parameter und Flugregime der Z-42, einschließlich der dazugehörenden Drücke, Temperaturen und Geschwindigkeiten. Darüber werden wir dann morgen eine „kleine“ Prüfung schreiben.
Z-42_1
Das Ausbildungsflugzeug der GST, die Z-42 aus tschechischer Produktion, ist ein kunstflugtauglicher Doppelsitzer mit einem 180 PS Triebwerk und automatischem Verstellpropeller
Z-42_2
der Tiefdecker ist mit einem starren Bugradfahrwerk ausgerüstet, damals noch mit einer DM-Kennung, später dann DDR-WMO

Weiter ging es mit der theoretischen Durchsprache der Steuertechnik in den einzelnen Flugabschnitten, z.B. beim Anlassen, Rollen, Abheben, Steigflug, Steigflugkurve, Horizontalflug, Kurven mit verschiedenen Schräglagen, Sinkflug und den Abschnitten der Landung. Danach kam die Steuertechnik beim Kunstflug, wie Seitengleitflug (Slippen), Kampfkurve (eine energische Kurve um 180° mit Höhengewinn), Vollkreis, Trudeln usw. Es ging also heiß her und genauso geht es auch meinem Kopf.
Morgen ist dann Kabinentraining, das wird schon interessanter.
Heute haben wir auch unseren Fluglehrer kennengelernt. Er macht einen guten Eindruck und ich werd mich bemühen, gut mit ihm auszukommen…

Mittwoch, 13.08.1980
Es ist gerade Mittagspause und so habe ich etwas Zeit zum Schreiben.
Heute Morgen ging es erstmal los mit der kleinen „niedlichen“ Prüfung. 11 Fragen waren zu Betriebsparametern zu beantworten. Naja, es ist eine 2 geworden, reicht ja auch aus.
Danach war noch eine Stunde Unterricht. Wieder Bodenausbildung.
Ab 10:00 Uhr wurde es dann interessant. Wir kamen das erste Mal an die Maschinen. Kabinentraining stand auf dem Programm (Anm.: Kabinentraining ist das theoretische Vertrautmachen mit den Bedienelementen im Cockpit, Lage der Instrumente, Schalter, das ging bis hin zum Blindgreifen) Mit angelegtem Fallschirm ging es rein in die „Kiste“. Auf dem Foto sah alles größer aus. Aber in Wirklichkeit ist alles gut zu erreichen. Schwierigkeiten hatte ich nur mit dem Gurtzeug. Die 5 Gurte unter einen Hut zu bekommen, ist gar nicht so einfach. (Probleme hatte ich damals 😉
Unser Fluglehrer saß neben mir und erklärte alles nochmal ganz genau.
Die Kabinenausrüstung hatte ich mir ja schon vorher auf dem Foto und dem Schema angesehen. Dann sollte ich das Triebwerk anlassen. Es sprang auch bereitwillig an und mein Fluglehrer sagte, ich solle die Magnetprobe (Kontrolle der Zündkreise) und die Reaktionsprobe (Beschleunigen des Triebwerkes von Leerlauf bis Volllast) durchführen. Also Drosselhebel rein. Es ist schon ein komisches Gefühl, „Herr“ über 180 PS und ein röhrendes Triebwerk zu sein. Hinter dem Flugzeug kann man sich bei Volllast nicht mehr halten. Es weht einen voll weg. Die Auswirkungen des Luftschraubenstrahls bemerkt man noch 50 m hinter dem Flugzeug.

Kabine Z-42
die Kabine der Z-42 zeigt die doppelte Anordnung der Steuer-und Bedienelemente
Fluggruppe
hier sitze ich (Mitte) im sogenannten Flugdienstquadrat und harre der Dinge die da kommen werden, ein Bauwagen diente als "Unterkunft", daran angebracht die obligatorische Wandzeitung, Fliegerkombis gab´s schon, nur das Schuhwerk war noch etwas unmilitärisch
Naja, wenn das Wetter so bleibt wie heute, dann geht es morgen in die Luft – hoffentlich.
Der Nachmittag ist auch gelaufen. Thema das Selbstudiums war die Vorbereitung auf das Flugspiel. Das Flugspiel ist eine Form der Überprüfung bei der jeder Flugschüler vom Fluglehrer Fragen zur Technik, zur Steuerung oder Navigation, also quer durch den Gemüsegarten bekommt. Ich war heute dran zum Thema Rollen und … das andere weiß ich schon gar nicht mehr. Auf jeden Fall hab ich zwei Einsen bekommen. Ist man schlechter als „3“, ist man zum nächsten Flugdienst nicht zugelassen. Das wäre schlimm. Deshalb sehe ich mir lieber jeden Abend nochmal meine Aufzeichnungen an.
Morgen habe ich zwei Starts geplant, den Einweisungsflug und noch einen anderen, beide jeweils eine halbe Stunde lang. Na dann bis morgen.

Donnerstag, 14.08.1980
Heute bestimmte nur ein Gedanke mein Handeln – mein erster Flug.
Leider blieb es beim Gedanken – gegen halb 11 kam ein Fluglehrer und beorderte uns in den Unterrichtsraum: Bodenausbildung! Ich hab so die Schn… voll. Heute ging es um die Navigation, was sowieso ein „Spezi-Fach“ von mir ist.
Jedenfalls geflogen sind wir nicht. Der Flugplatz bekam für heute Flugverbot.
Dabei hätten wir uns heute früh die Haare raufen können, weil wir wegen des Nebels nicht mal 100m weit sehen konnten. Im Verlaufe des Vormittags klarte es dann aber auf und seitdem haben wir herrliches Wetter. Die Sonne scheint, die Sichten sind ideal, im Großen und Ganzen herrliches Flugwetter.
Doch der ganz große Hammer kam nach dem Mittagessen: als wenn Nebel und Flugverbot nicht schon genug wären, nein es kam noch schlimmer.
Irgendeiner hatte sich für den Nachmittag ausgedacht, dass es ein schöner Tag sei für den 8er-Test. Eine schöne Quälerei bei dem Wetter. Und so absolvierten wir Handgranatenwurf, Sturmbahn, Klimmziehen und Co. Den 3.000m-Lauf verlegte man „gnädigst“ auf morgen Vormittag.
So, nachdem wir geduscht sind, sieht der Tag auch wieder ein wenig heller aus, wenn wir nun auch noch zum Flugspiel zu unserem „Arni“ (Fluglehrer) müssen.
Der Lehrgangsleiter hat uns zum Abend noch mit 80%er Wahrscheinlichkeit für morgen Flugbetrieb angekündigt. Wenn, dann hab ich eine Menge zu schreiben.
Freitag, 15.08.1980
Flugtag – der Erste
Heute nun war es endlich soweit. Ich sollte das erste Mal in meinem Leben fliegen.
12:15 Uhr war das „Geben der letzten Weisungen“ (Verkünden der Variante nach der geflogen wird, aktuelles Wetter, Besonderheiten), danach übernahmen wir die „Mühlen“, Durchsicht (Vorflugcheck) und Rausrollen zum Start (in Schönhagen standen alle Flugzeuge in einer Halle, auch der Sicherheit wegen; um zum Startpunkt zu kommen, musste man schon ein paar hundert Meter auf den Flugplatz rausrollen).
Kausche (Michael Kauschmann – später auch in meinem Lehrgang an der OHS) flog vor mir seine 6 Platzrunden.
15.10 Uhr meldete ich dann beim Fluglehrer meine Startbereitschaft.
Den Fallschirm umgeschnallt, rein in den Flieger. Kurzen Überblick verschafft. Dann ganz genau die Reihenfolge der Tätigkeiten beim Anlassen des Triebwerkes beachten. Auf die Bremsen und den Starterknopf drücken. Wie gewohnt sprang das Triebwerk an. Über Funk die Rollerlaubnis einholen und ab zur Startlinie. Rauf auf die Start- und Landebahn, Flugzeug ausrichten, Vollgas und binnen 150 – 200m schweben wir 1-2 m in der Luft. Nase etwas an den Horizont, Fahrtaufholen und mit 140 km/h geht es gen Himmel.
Nach einigen Minuten habe ich auch mal Zeit und Gelegenheit genauer nach Draußen zu gucken. Herrlich sieht die Welt von oben aus. Das Wetter passt, 400 m Wolkenuntergrenze und 10 km Sicht, da sieht man in Trebbin jeden Menschen so klein wie einen Stecknadelkopf, „Spielzeugautos“ bevölkeren die Straßen.
Aber nun hieß es aufpassen, denn „Arni“ fing an, mir markante Punkte (Städte, Seen, Autobahnen usw.) zu zeigen. Dabei übergab er mir das Steuer. Nun war ich Herr über 180 PS und ein drumrumgebautes Flugzeug.
Ich fing an, ein Pilot zu werden.
Viel zu schnell vergingen diese 40 Minuten des Einweisungsfluges und wir landen wieder auf dem Flugplatz.
2 Stunden später saß ich nochmal in der DM-WMX und startete zum zweiten Flug des Tages. Diesmal Übungsflug für die Regime Steig-, Gleit- und Horizontalflug. Nun war ich schon etwas sicherer und leistete „ganze Arbeit“. Der Lohn dafür – eine Note 1 für diesen Flug.
Mein persönliches Flugbuch:
Flugzeit: 1:24, Starts 2

Samstag, 16.08.1980
Flugtag – der Zweite

Nun war ja das Fliegen kein Neuland mehr für mich, wenn auch noch eine Menge „Arbeit“ vor mir liegt.
Heute stehen 4 Starts für mich in der Flugplanung. Zwei Flüge der Übung 2 und zwei Starts der Übung 3. Also volles Programm.
Als Erster muss ich die „Mühle“ am Morgen übernehmen, den ersten Check durchführen und raus zum Startplatz rollen. Wir fliegen ja von einer Vorstartlinie, an der alle Flugzeuge aufgereiht sind. So ist die Organisation einfacher, die Wege sind nicht so lang und alles ist konzentriert auf einem Haufen.
Beim ersten Start war ich schon der „Knüppler“, d.h. unser „Arni“ ließ mich viel allein machen. Aber oben machte es sich bemerkbar, dass das Fliegen noch lange kein Alltag für mich ist. Ich baute einen Mist nach dem anderen, bekam keinen ordentlichen Horizontalflug zustande, die Kurven waren ein einziges Steigen und Sinken, dann bekam ich die Landeklappe nicht raus usw. usf.
Beim zweiten Start gefiel ich mir schon besser, war ruhiger und so baute ich eine Übung hin, die mir selber ganz gut gefiel. Bei diesem Flug wurde der Kurvenflug in der Zone (abgegrenzter Luftraum für Flugübungen) trainiert. Es ging nur: Kurve 90° nach links, nach rechts, Vollkreise rechts und links. Übergänge zwischen den einzelnen Flugzuständen (Horizontalflug in den Steigflug oder Sinkflug, Sinkflug in den Horizontalflug, Steigflug in den Horizontalflug usw.). Da kam ich ganz schön ins Schwitzen.
Die anderen beiden Starts waren Flüge der Übung 3, d.h. Gefahreneinweisung.
Wieder ging es in die Zone, diesmal aber bis auf 1.500m hinauf. Dann folgte Fliegen mit minimalen Geschwindigkeiten, Abkippen (Stall), Seitengleitflug (Slip) und zuguterletzt noch Trudeln.
Macht ungeheuren Spaß, wenn bei 110 km/h volle Kanone das Seitenruder bis zum Anschlag getreten und der Steuerknüppel so weit wie möglich gezogen wird. Dann ertönt ein lustiges Klingeln und das Flugzeug kippt über die entsprechende Tragfläche ab. Die Erde dreht sich irgendwie ungeordnet um einen herum, alles ist zwar da, aber nicht an der Stelle wo es hingehört. Nun muss ich aufpassen, dass ich die Orientierungslinie nicht verpasse. (Um es den jungen Piloten nicht ganz so einfach zu machen, bestand die Forderung darin, dass man nach dem Ausleiten des Trudelns in eine vorher bestimmte Richtung fliegt. Vorzugsweise suchte man sich dazu als Anhaltspunkt eine Eisenbahnlinie oder Straße aus). Die Ausleitverzögerung durch die Trägheit des Fliegers muss ich mit beachten. Dann Seitenruder voll entgegen der Drehrichtung treten und den Steuerknüppel über die Neutrallage gerade nach vorn drücken. Die Drehung hört auf, Seitenruder neutral und wir finden uns in einem Sturzflug wieder, den man ganz normal ausleitet.
Nach dem ganzen Karussellfahren ist die Landung gar nicht so einfach, aber das kriege ich auch noch hin.
Flugzeit heute: 2:22, Starts 4
Flugzeit gesamt: 3:46, Starts 6
Vorstartlinie Schönhagen
Vorstartlinie in Schönhagen

Sonntag, 17.08.1980
Flugtag – der Dritte
Heute hieß es für mich: Platzrunden fliegen bis zum Abwinken.
12 Stück standen auf dem Programm, 2 mal 6, das hat mich doch ganz schön geschafft. Start, Steigflug, bis zur 4. Kurve (Eindrehen in den Endanflug) – alles klar. Nur den Sch… mit der Landung hab ich immer noch nicht 100%ig gefressen. Das ist ein Kapitel für sich, muss man doch gleichzeitig auf Richtung, Höhe und Geschwindigkeit achten und eins davon versau ich immer wieder.
Sehr ärgerlich…
Flugzeit heute: 1:12, Starts 12
Flugzeit gesamt: 4:58, Starts 18

Montag, 18.08.1980
Flugtag – der Vierte

Heute wurde es wieder heiß und das gleich in zweierlei Hinsicht.
Erstens das Wetter, welches heute wieder optimal war (wovon auch ein schöner Sonnenbrand auf meinem Bauch zeugt) und zweitens vom Flugauftrag, der heute 16 Starts für mich vorsah.
Zuerst hieß es wieder: ab in die Platzrunde und das 8 mal. Dabei mach ich auch echte Fortschritte sagt „Arni“, vor allem bei der Landung, aber es ist noch nicht alles rund.
So, nach 7 Runden spricht er dann in den Funk, ob nach der nächsten Platzrunde eine Übung 5 möglich wäre.
Die Übung 5 ist eine Zwischenüberprüfung der Steuertechnik durch den Leiter der Fliegerschule.
Mir ging vielleicht die Muffe, als ich dann mit ihm zum Start rollte, hing doch von diesen zwei Platzrunden ab, ob ich zur weiteren fliegerischen Ausbildung zugelassen werde, oder die Fliegerei an den Nagel hängen muss.
Als es dann losging war die Unruhe gewichen und ich flog nicht anders, als ich es mit meinem Fluglehrer getan hätte. War wohl auch gar nicht so schlecht, denn ich erhielt auf die Flüge eine glatte 2 und die Zulassung zur weiteren Ausbildung.
Wenn man bedenkt, dass ich vor vier Tagen als „Fußgänger“ anfing, sind die Fortschritte doch schon bemerkenswert.
Nach den 10 Runden war ich erstmal fertig mit den Nerven und die Stunde Pause konnte ich gut gebrauchen.
Bei den dann folgenden 6 Platzrunden half „Arni“ nur noch wenig und trotzdem waren auch die Landungen ganz akzeptabel. Darüber hab ich mich dann doch schon etwas gefreut.
So, nun ist der vorerst letzte Flugtag vorbei.
Flugzeit heute: 1:36, Starts 16
Flugzeit gesamt: 6:34, Starts 34

Dienstag, 19.08.1980
Heute war kein Flugtag.
Dafür hatten wir Bodenausbildung im Kunstflug und Streckenvorbereitung.
Am Nachmittag wurden wir dann angenehm überrascht. Wir fuhren baden. Das Wetter war zwar nicht so besonders, aber das war uns immer noch lieber als MKE (Militärische Körperertüchtigung). Es wurde dann auch ein herrlicher Ausflug. Die Leute haben nicht schlecht gestaunt, als wir in unseren GST-Klammotten einfielen. Das hat uns aber gar nicht gestört, waren wir doch froh, mal aus der Schule raus zu sein. Außerdem sahen wir das Gelände mal von unten, über das wir sonst in 300m drüberflogen.
Leider mussten wir um 16:00 Uhr schon wieder los, so dass wir nur ein kurzes Vergnügen hatten.

Mittwoch, 20.08.1980
Flugtag – der fünfte

Heute war der erste Flugtag der neuen Saison.
Ab heute fliegen wir in der ersten Schicht. Das bedeutet zwar Wecken ist um 5:00 Uhr, aber dafür brauchen wir keinen Frühsport machen. Hat ja auch was für sich. 7:00 Uhr erfolgt dann der erste Start (aus heutiger Sicht müsste man sich bei den Anwohnern entschuldigen. Wer mal eine Z-42 erlebt hat, der weiß, dass das Triebwerk nicht gerade optimal schallgedämpft ist. Und dann täglich ab 7:00 Uhr einschließlich der 2.Schicht am Nachmittag – das war schon nicht ganz ohne).
Leider musste ich heute am Boden bleiben, da ich als Sicherungsposten eingeteilt war. Die Sicherungsgruppe bestand aus 3 Mann, die z.B. dafür zu  sorgen hatten, dass kein Unbefugter das Flugplatzgelände betritt, dass sich keiner während des Betankens im Flugzeug aufhält, dass der Drosselhebel verschlossen wird, wenn der Fluglehrer das Flugzeug verlässt. (Eine der wichtigsten Aufgaben war aber das Beobachten der Flugzeuge in der Platzrunde. Auf Grund einer Republikflucht hatte man Angst, dass sich wieder einer nach Westberlin aus dem Staub macht. Um die Vorwarnzeit, für wen auch immer, zu erhöhen mussten eben sämtliche Flugzeuge im Platzbereich ununterbrochen beobachtet werden. – Das durfte ich natürlich damals noch nicht in mein Fliegertagebuch schreiben). Bei dem scheußlichen Wetter heute, es regnet und ist kühl, war diese Aufgabe kein Vergnügen.
Heute Nachmittag ist noch Auswertung des Flugdienstes und Flugspiel für Morgen. Wenn das Wetter mitspielt, komme ich dann auch wieder in die Luft.

Donnerstag, 21.08.1980
Flugtag – der sechste.

Saumieses Wetter begleitete uns heute den ganzen Tag. Für einen Außenstehenden mag das warscheinlich fragwürdig erscheinen, es war ja „nur“ bewölkt und niederschlagsfrei, trotzdem fanden wir alle es zum K…
Wind, Wind und nochmals Wind. Er kam von links vorn und beeinträchtigte die Start- und Landeberechnung ganz stark. Nach dem Abheben musste man aufpassen, dass man nicht 20° oder 30° aus der Richtung kam. Als nächstes warteten dann starke Böen und Verwirbelungen. Es ging wie im Fahrstuhl 20 m nach oben und gleich hinterher 30 m runter. Schläge unter die Tragflächen mussten mit ordentlich Querruderausschlag ausgeglichen werden. Beim ersten Start heute war ich regelrecht erschrocken, als der „Tanz“ begann.
Gegen 12:00 Uhr begann der Wind noch stärker zu werden und gleichzeitig fing es an zu regenen, so dass der Flugleiter den Flugdienst abbrach.
Kaum hatten wir die „Kisten“ in die Halle gerollt, ging die Katastrophe los. Es regnete so stark, dass man keine 30m weit sehen konnte. Im Nu stand der Hallenvorplatz unter Wasser. Der Wind hatte sich inzwischen auch zu einem Sturm gemausert. Zum Glück waren alle Flugzeuge unten. Das Programm hatten wir fast geschafft, so dass der Ausfall nicht allzu groß war.
Flugzeit heute: 0:45, Starts 8
Flugzeit gesamt: 7:19, Starts 42

Freitag, 22.08.1980
Flugtag – der siebente.

Das Wetter war heute genauso besch… wie gestern. Deshalb wurde umgeplant, so dass ich nicht die Übungen 7 und 8 flog, sondern den Rayonabflug und noch 4 Starts zum Festigen der Platzrunde machte.
Die Platzrunden waren mit kleinen Einlagen durchsetzt, auch genannt „Landefehler“, bei denen die Reaktion auf Fehler im Landeanflug und beim Aufsetzen trainiert wird. Dabei sind unter anderen der Anflug ohne Landeklappe, Durchstarten und zu hohen oder zu tiefes Abfangen. Eigentlich ist ja bei mir jede Landung eine Reaktion auf Fehler, aber das verrate ich keinem und es wird auch schon werden.
Flugzeit heute: 1:54, Starts 5
Flugzeit gesamt: 9:13, Starts 47

Bis zum 27.08.1980 standen dann noch etwa 4 Flugstunden mehr im Flugbuch, eine verpatzte Zulassung zum Alleinflug, Bodenausbildung im Instrumentenflug, ein Tag mit Rasenmäher und Volleyball. Der Lehrgang neigte sich auch seinem Ende entgegen und ich hatte nur noch einen Tag, um den lang ersehnten ersten Soloflug machen zu können.

Donnerstag, 28.08.1980
Flugtag – der elfte und vorerst letzte.

Das gleiche Wetter wie gestern: Sonne, Sonne und nochmals Sonne.
Heute nun sollte ich die letzte Chance bekommen, mich freizufliegen, d.h. den ersten Start ohne Fluglehrer zu machen.
Gleich als erster musste ich die Maschine übernehmen und rausrollen zur Vorstartlinie. dann flog ich mit meinem Fluglehrer drei Platzrunden zum Eingewöhnen. Bei teilweise Rückenwind von 3-5 m/s und ansonsten Windstille waren die Bedingungen nicht optimal. Die Sicht betrug auch nur gute 5 km, gegen die Sonne noch weniger. Aber Jammern bringt nichts, vor allem keine bestandene Zulassung.
Die Landung hatte ich in den letzten Tagen „gefressen“, so dass ich mit einem guten Gefühl in den Flieger stieg. Da Kamerad Mengs heute Flugleiter war, bekam ich den Herrn Skuppin als Prüfer zugeteilt. Als ich mit ihm zum Start rollte, war alle Aufregung vergessen.
Dann flog ich die beiden besten Platzrunden meines bisherigen Fliegerdaseins, Geschwindigkeit und Höhe im vorgeschriebenen Bereich, die Landeeinteilung und Landung auch.
Einige Minuten später, nach einer kurzen Auswertung, saß ich erneut im Flieger und rollte zum Start. Der Unterschied zu vorhin war eigentlich nicht sonderlich groß, genaugenommen ca. 1,70m die neben mir fehlten, allerdings war der Schritt für mich ziemlich gewaltig. Sollte ich doch in Kürze das erste mal solo mit dem Flieger los. Keiner mehr da, der mir noch sagen konnte, das oder das musst du jetzt machen, keiner da, der eingreifen konnte, wenn´s haarig werden sollte. Ich war Chef, aber auch für alles zuständig. Natürlich schaute ich überall zweimal hin, ob ich nicht irgendwas vergessen hatte.
Aber dann ist es genau so, wie eine alte Fliegerweisheit behauptet: Sitzt keiner neben/hinter dir und meckert, fliegt es sich gleich dreimal besser. Und so war es dann auch dieses Gefühl von endloser Weite, etwas Stolz und eigenener Größe (welche man so mit 17 Jahren erreicht ;-)))). Nur gesungen, gesungen habe ich nicht. Man muss nicht mehr sooo genau auf Höhe und Geschwindigkeit achten, Hauptsache die Landung ist gut. Also mal Hände weg vom Steuerknüppel und siehe da: der Flieger fliegt auch alleine geradeaus. Leider musste ich bald wieder auf die Landung vorbereiten, die Zeit zum Genießen war einfach zu kurz.
So ging der letzte Flugtag zu Ende und wenn man bedenkt, dass ich vor 13 Tagen als Fußgänger anfing, bin ich doch schon ein ganzes Stückchen vorangekommen.

Kunstflug