Abfangen in der unteren Einsatzhöhe (UEH)

Die Besonderheiten leiten sich fast ausschließlich aus Schwierigkeiten der Arbeit mit dem Funkmessvisier ab.
Diese Schwierigkeiten bestehen im Wesentlichen darin, dass Zielzeichen mit den Lagezeichen auf dem Bildschirm zu entdecken und Bedingungen, die das Umschalten in den Zielbetrieb gewährleisten, zu schaffen.
Das Erkennen des Zielzeichens mit den Lagezeichen wird durch die Vielzahl vorhandener Scheinziele, die insgesamt zu einer Aufhellung des Bildschirms führen, erschwert (Bild 1 bis 4, Bild 6 bis 12).

Die Anzahl und Intensität der Scheinziele hängen in erster Linie von der Flughöhe sowie vom Relief, von der Bewachsung und der Bebauung des überflogenen Geländes ab (vergleiche Bild 1 mit Bild 6).
Einen nicht unwesentlichen Einfluss haben auch die Sendeleistung des FMV, ausgedrückt durch den Magnetronstrom, die Lage und Feldstärke der Nebenkeulen des Antennendiagramms und dessen Neigungswinkel, der durch die eingesetzte Bewaffnungsvariante bestimmt wird. Die Vielzahl der genannten Faktoren, die von Flug zu Flug unterschiedliche Bedingungen schaffen, führen dazu, dass die „untere Einsatzhöhe“ (UEH) nicht eindeutig fixiert, sondern nur in einem territorial abhängigen Toleranzbereich angegeben werden kann; sie machen es nahezu unmöglich, allgemeinverbindliche Festlegungen für die Arbeit mit dem FMV zu treffen.
Um so wichtiger sind deshalb die persönlichen Erfahrungen jedes Flugzeugführers sowie die Kenntnis einiger Regeln, die die Arbeit mit dem FMV erleichtern können, deren Anwendung jedoch immer in Abhängigkeit von der konkreten Situation entschieden werden muss.
Der Abfangprozess gliedert sich auch in diesem Höhenbereich in die Etappen:
    – Auffassen des Luftziels mit dem FMV,
    – Annäherung und Schaffen der Umschaltbedingungen,
    – Erfassen des Luftziels und weitere Annäherung bis zur günstigsten Schussentfernung,
    – Einsatz der Raketenbewaffnung
Dabei sind folgende Besonderheiten zu beachten:
    1. Das Auffassen des Luftziels durch das FMV ist nicht immer identisch mit dem Erkennen des Zielzeichens auf dem Bildschirm. Da das Erkennen aber Voraussetzung für alle weiteren Tätigkeiten ist, müssen alle Möglichkeiten zum Beschleunigen dieses Prozesses genutzt werden. In Abhängigkeit von der Intensität der Erdstörungen kann der Schalter „Schutz vor Erdstörungen“ in die Stellung „Kleiner“ (Bild 2 und 7) oder „Größer“ (Bild 3, 4 und 8, 11 bis 12) geschaltet werden. In der Schalterstellung „größer“ ist es möglich, dass die Störungen durch Wolkenreflexionen auf dem Bildschirm wieder zunehmen (vgl. Bild 2 mit den Bildern 3 und 4).
    2. Das Heranleiten sollt unbedingt mit einer Tiefenstufung von etwa 500 m durchgeführt werden. Bei einer Zielentfernung von etwa 6 km ist mit einer Vertikalgeschwindigkeit von 15 m/s in den Steigflug überzugehen. Dabei verringert sich die Aufhellung des Bildschirms. Zum eindeutigen Unterscheiden des Luftziels von Erdstörungen kann die Kennungsabfrage eingeschaltet werden. Das darf jedoch nur kurzzeitig erfolgen, da in dieser zeit keine Lagezeichen geschrieben werden und demzufolge die Höhenstufung zum Luftziel nicht bestimmt werden kann.
    3. Wird trotz aller Maßnahmen das Zielzeichen mit den Lagezeichen nicht erkannt, ist kurzzeitig die Löschtaste zu drücken. In der Regel wird danach das reale Luftziel um Sekundenbruchteile früher auf dem Bildschirm geschrieben als die Erdstörungen.
    4. Wurde das Zielzeichen mit den Lagezeichen erkannt, so muss der Flugzeugführer die Annäherung fortsetzen und die Umschaltbedingungen schaffen (Bild 4 und 12):
    Dabei tritt der Widerspruch auf, dass es einerseits schwierig ist, infolge der Aufhellung des Bildschirms die Anzahl und Helligkeit der Lagezeichen sowie den Mittelpunkt des Zielzeichens (bei geringer Entfernung erstreckt sich das Zielzeichen oft über einen Seitenwinkelbereich von +/- 15°) zu bestimmen (Bild 1 und 11) und eine Symmetrie herzustellen. Andererseits werden an die Genauigkeit der Umschaltbedingungen erhöhte Anforderungen gestellt. Selbst geringfügige Abweichungen führen in geringen Höhen oft dazu, dass das FMV nicht auf Zielbetrieb umschaltet.
    Auf Bild 4 ist zu erkennen, dass die oberen Lagezeichen heller geschrieben werden als die unteren. Bei eingeschaltetem „Schutz vor Erdstörungen“ bedeutet das nicht, dass sich das Luftziel über dem Abfänger befindet, da durch das Abschalten der unteren Zeile die oberen Lagezeichen öfter geschrieben und dadurch heller werden.Die Einschätzung des Neigungswinkels kann hier nur nach der Anzahl der Lagezeichen erfolgen.
    Bei der Schalterstellung „Schutz vor Erdstörungen – Größer“ wird die Antenne angehoben (s. Bild 24). Deshalb liegt die Silhouette nach dem Umschalten in den Zielbetrieb um die entsprechende Gradzahl höher (Bild 5).
    Im Folgenden muss der Flugzeugführer die Schießbedingungen herstellen.
    5. Bei der Stellung des Schalters“ Schutz vor Erdstörungen“ auf „größer“ ist noch zu beachten, dass die Entfernung das Umschaltens auf Zielbetrieb unter 5 km liegt.
    6. Nach dem Umschalten des FM-Visiers auf Zielbetrieb ist die weitere Annäherung bis zur günstigsten Schussentfernung, die in diesen Höhen nahe der minimal zulässigen liegt, fortzusetzen.In diesem Prozess sind besonders die Flugüberwachungsgeräte zu kontrollieren, da ein Erfassen von Erdzielen durch das FM-Visier nicht ausgeschlossen ist. Fliegt in einem solchen Fall der Flugzeugführer nur nach der Lage der Zielsilhouette, ohne die übriegen Geräte zu kontrollieren, so kann das zu einem Unterschreiten der Sicherheitshöhe und zu kritischen Flugzuständen führen. Wird ein solcher Flugzustand festgestellt, ist das Flugzeug in den geradlinigen Horizontalflug zu überführen, bei Notwendigkeit muss der Flugzeugführer die Lösetaste drücken und das Luftziel erneut suchen.
    (Anm. des Webmasters: Das Abfangen in der UEH war ohne das Heranleiten durch den Gefechtsstand geradezu unmöglich, das selbständige Suchen aussichtslos. Es blieb eigentlich nur der Abbruch des Angriffs und ein Versuch des Neuaufbaus. 3 – 4 erfolglose Leitprozesse während eines Fluges waren keine Seltenheit, die Steuermannsleitoffiziere an ihren Sichtschirmen können ein Lied davon singen.)
    7. In allen Fällen muss der Flugzeugführer beim Abfangen in der unteren Einsatzhöhe des FM-Visiers die vordere Halbsphäre ständig visuell kontrollieren, um auch bei Nichterkennen des Luftziels auf dem Sichtgerät die Bewaffnung mit Hilfe des optischen Visiers einzusetzen und gefährliche Annäherungen an das Luftziel auszuschließen. (Anm.: Macht sich besonders gut nachts in den Wolken)

Abfangen mit großen Annäherungsgeschwindigkeiten

Beim Abfangen von langsam fliegenden Luftzielen in großen Höhen und in der Stratosphäre sind auf Grund der aerodynamischen Besonderheiten der leitstrahlgelenkten und zielsuchenden Raketen bestimmte Mindestgeschwindigkeiten beim Abschuss einzuhalten.
Beim Einhalten dieser Mindestgeschwindigkeiten entstehen beim Abfangen langsam fliegender Luftziele große Annäherungsgeschwindigkeiten, die bis 700 km/h und in Einzelfällen noch mehr betragen können.
(Anm.: Laut Aussage der Techniker lag die maximale Annäherungsgeschwindigkeit, die das FM-Visier technisch verarbeiten konnte so zwischen 800-850 km/h. Bei größeren Annäherungsgeschwindigkeiten kam es dann zum Abbruch der Verarbeitung der Signale. Nichts desto trotz lag meine größte ausgewertete Annäherungsgeschwindigkeit beim Schießen auf eine Leuchtbombe bei rund 1.200 km/h. Hatte ich ein gutes FM-Visier erwischt 😉.
Infolge dieser Geschwindigkeiten verkürzt sich die verfügbare Zeit erheblich und der Abfangprozess stellt höchste Anforderungen an das fliegende Personal sowie an die einwandfreie Arbeit der FM-Visiere.
So beträgt in diesem Falle die verfügbare Zeit vom Auffassen des Luftziels in einer Entfernung von 15 km bis zum Abschuss der Raketen etwa 1 Minute, während bei einer normalen Annäherungsgeschwindigkeit von ca. 200 km/h etwa 3 bis 3,5 Minuten zur Verfügung stehen.
Wird das Luftziel bei geringeren Entfernungen aufgefasst, so verkürzt sich die verfügbare Zeit noch weiter und es entstehen zusätzliche Schwierigkeiten für den Flugzeugführer.
Sehr kompliziert ist auch das Korrigieren auftretender Seitenfehler. Wird z.B. ein Luftziel bei einem Seitenwinkel von 30° aufgefasst, so dauert das Nachkurven auf den Nullseitenwinkel genau hinter das Luftziel etwa 40 – 60 Sekunden (je nach gewählter Schräglage). Für die weiteren erforderlichen Tätigkeiten bis zum Abschuss der Raketen, wie Präzisieren der Umschaltbedingungen, Erfassen des Luftziels, Zielen, verbleiben also im günstigsten Falle 20 Sekunden, die aber in keinem Falle ausreichend sind.
(Anm.: Hilfreich in großen Höhe ist meist, dass das ganze über den Wolken stattfindet und man gute Chancen hat, das Luftziel ab einer bestimmten Entfernung optisch zu sehen).

Den verringerten Möglichkeiten zur Korrektur von Richtungsfehlern steht aber die Forderung gegenüber, die Umschaltbedingungenmit besonderer Genauigkeit herzustellen, da selbst eine geringfügige Abweichung der Lage des Luftziels von der Längsachse des Antennendiagramms dazu führen kann, dass das Luftziel nicht erfasst wird.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Erfolg beim Abfangen langsam fliegender Luftziele mit großen Annäherungsgeschwindigkeiten nur bei Einhaltung folgender Forderungen gewährleistet ist.
    1. Die Jägerleitung muss mit einer solchen genauigkeit erfolgen, dass das Luftziel mit einem Seitenwinkel nicht über 10° aufgefasst wird. Das setzt exakte Berechnungen des Steurmannsleitoffiziers und die genaue Durchführung aller Kommandos durch den Flugzeugführer voraus.
    2. Die FM-Visiere müssen eine Auffassungsentfernung von mindestens 15 km gewährleisten, um dem Flugzeugführer das erforderliche Zeitlimit zur Durchführung der notwendigen Tätigkeiten zu gewährleisten.
    3. Der Flugzeugführer muss sofort nach dem Auffassen des Luftziels die notwendigen Korrekturen durchführen, um das Zielzeichen mit den Lagezeichen „Oben“ und „Unten“ auf den Nullseitenwinkel zu bringen. Im weiteren Verlauf der Annäherung muss er sofort auch auf kleinste Abweichungen reagieren und das Luftziel bei der maximal möglichen Entfernung (9 – 10 km) erfassenh